Donnerstag, 23. April 2015

Kinder-Freundschaften. Oder: "Ruhig bleiben" – eine neue Prüfung für Mama.

Als ich zehn Jahre alt wurde, durfte ich die ganze Klasse einladen. Ein Bus wurde gemietet, es ging zum Minigolf. Danach die obligatorischen Würstchen mit Pommes. Ich weiß noch, dass ich das richtig super fand. Aber auch, dass ich zwei aus der Klasse am liebsten nicht eingeladen hätte. Da hat Mama geschimpft. "Alle oder keiner!" Das habe ich damals so gar nicht verstanden.
Heute bekomme ich allerdings allein beim Gedanken daran, wie sich die beiden gefühlt hätten, als einzige nicht eingeladen worden zu sein, eine Gänsehaut. Und das alles: wegen meinem kleinen Lehrer – Mads (3 Jahre, 4 Monate). Denn nun sehe ich an ihm, wie schwer es für ein Kind zu ertragen und zu verstehen ist, wenn keiner mit einem spielt oder Freundschaften von einem Tag auf den anderen zerbrechen. Und: wie es für die Mutter ist.

Zugegeben: Noch bis vor wenigen Wochen spielten "Freunde" so überhaupt keine Rolle im Leben unseres Kindes. Das mag daran liegen, dass ich nicht unbedingt die Gesellschaft anderer Mütter suche und auf dem Spielplatz oft (selbstverständlich meist völlig unbeabsichtigt) mit einem "wenn Blicke töten könnten ..."-Gesichtsausdruck herumlaufe. Was sich dahinter verbirgt? Meistens: Müdigkeit. Zweit-meistens: ein handelsüblicher"Gehirn-Storno" – also, wenn da oben also grad mal so gar nix los ist. In manchen Fällen kommt sogar beides zusammen. Da gucke ich dann – das habe ich mir zumindest sagen lassen – besonders übellaunig.

Erst spielen Sie mehr nebeneinander ... als miteinander ...

Ein weiterer Grund für den Single-Status von Mads: In der Krippe hat er zwar mit einigen Kindern häufiger gespielt als mit anderen, mehr hat sich hier aber nie ergeben. Aus zwei Gründen. Erstens, weil wir uns nicht auch an den Nachmittagen oder Wochenenden mit den betreffenden Familien verabredet haben (siehe oben) und Zweitens, weil mein kampflustiger Nachwuchs mit Vorliebe die Zähne in alles schlug, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Und Klettern U3 – klappt ja eher selten.

Heute, nur vier Monate nach dem Wechsel in den Kindergarten, offenbart sich uns eine völlig neue, unbekannte Welt. Doch wie so oft im Leben hat auch das zwei Seiten.

... gemeinsame Interessen (Faszination "Feuerwehr") verbinden!
Ich hatte Pipi in den Augen als das erste (und bisher einzige) Mal ein fremder Junge im Kindergarten  auf mich zustürmte und rief: "Darf Mads am Montag bei mir Spielen? Meine Mama hat JA gesagt!" Mads trabte sichtlich stolz hinter ihm her und bestätigte mir den ausgeheckten Plan mit einem überschwänglichen Nicken und einem Grinsen – von einem Ohr zum anderen.
Mads war stolz. Ich war gerührt. 
Die erwähnte "Mama" gesellte sich zu uns und schaute mich erwartungsvoll an. Ich so: "Ähm. Ja - meinetwegen. Aber ... wir hatten das noch nie. Wie gehen wir da vor?" Sie so: "Ach so, ja also bei uns waren bisher auch immer nur ältere Kinder mit zum Spielen ... ich weiß ja nicht wie er ..." Sie stockte. Und wieder ich: "Naja, es ist ja erst Mittwoch, wir können ja dann am Freitag noch mal drüber sprechen!" Sie: "Ja, gut!" Erst danach fiel mir auf, dass Sie vermutlich wissen wollte, ob Mads denn mitgehen würde (natürlich!) weil eine fremde Mutter zu unterhalten und zu bewirten, während die Jungs spielen, das wäre ja nun auch etwas seltsam. Kurzum: ich hätte es ganz einfach haben können.

Stattdessen habe ich alles vermurkst. Denn: Am Freitag war Mads dann krank. Natürlich! Als er wieder kam, war "sein Freund" nicht da. Eh klar! Danach fuhren wir in den Urlaub. Und was soll ich sagen: Drei Wochen nach der ersten Spieleinladung hatte Mads selbige nicht vergessen – sein Freund leider schon. Genauer gesagt: Er war gar nicht mehr sein Freund. Das wurde überdeutlich, als er in der Gruppe Einladungen zu seinem vierten Geburtstag verteilte ... und Mads ausließ. Wie wichtig eine "Geburtstagseinladung" ist, hatte unser Sohn dann schnell raus und lud wochenlang x-beliebige Menschen zu seinem Geburtstags (im Dezember - es war April!) ein. Wen er nicht einladen würde (nämlich erwähnten Jungen) wurde er auch nicht müde zu erklären. "Der ist nicht mehr mein Freund!" 

Wann immer ich den Ex-Freund danach sah, musste ich mich sehr zusammen reißen, ihn nicht am Kragen zu packen und ... ich ballte die Faust in der Tasche und presste ein einsilbiges "Hallo" hervor, wenn ich seine Mutter sah. Denn ich gebe zu: Ich verabscheue aus tiefstem Herzen jeden, der mein Kind nicht super findet. Schön blöd, wer ihn nicht zum Freund haben will! Schließlich ist er der klügste, lustigste und mutigste kleine Junge den ich jemals getroffen habe.
Ich habe Gewaltfantasien wenn eben dieser großartige Mini-Mann mir auf dem Nachhauseweg erzählt, drei große Jungs haben seine Mütze in die Mülltonne geworfen, ihn mit Sand "geduscht" oder ihn angespuckt ... ich muss mich sehr zusammen reißen, damit ich Mads nicht erkläre dass das alles dreckige, kleine Versager sind, die ihn als Freund gar nicht verdient haben. Zusammen gefasst: Mads war unendlich traurig. Ich glühte vor Zorn. 

Die erste schlimmere Verletzung: Tut Mama & Mini nicht so weh wie die Ablehnung ....
Zum Glück bin ich gerade wieder mit der kleinen Welt des Kindergartens versöhnt, denn vor ein paar Tagen kam Mads mit einem Buch nach Hause "Meine Kindergarten-Freunde" in das er hineinschreiben sollte. Er war stolz. Ich war unendlich gerührt und hätte die Kleine der das Buch gehörte am liebsten direkt umarmt – Ihre Mutter gleich mit! Auch, wenn ich die Tatsache, dass Kindergartenkinder von Ihren Eltern Steckbriefe ausfüllen lassen, insgesamt mehr als unnötig finde.


Und die Glückssträhne hält an: Heute begrüßte oben erwähnter Junge (aka der Ex-Freund) Mads beim Ankommen im Kindergarten mit einem Lächeln, nahm ihn bei der Hand und sagte "Komm, wir spielen!" Mads war stolz. Ich war gerührt.

Und ich verstehe endlich, warum es gut und richtig war, zu meinem zehnten Geburtstag auch die beiden Kinder einzuladen, mit denen ich nicht so gern spielte. Danke, Mama. Eine wichtige Lektion, die allerdings erst mein Kind mir beibringen konnte.

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