Donnerstag, 27. August 2015

Drei Jahre Wochenbett-Depression?! Oder: Der lange Weg zum Mama-Glück

Rückblick: Mein Sohn kam im Dezember 2011 zur Welt.
Ein echtes Wunschkind auf das akribisch "hingearbeitet" wurde. Als der Test nach vier Monaten des Übens "endlich" positiv war, freute ich mich wie wahnsinnig, dass der Traum seit Kindheitstagen "einmal Mama sein" endlich wahr werden würde. Und schon lange vor dem Geburt war für mich völlig klar, was für eine Art Mutter ich sein würde, wie sehr ich mein Kind lieben würde und wie sehr ich das "Mama" und "Familie-sein" genießen würde.

Dann kam Tag X. Und selbst ohne schlimmes Geburtstrauma (die Geburt dauerte nur sechs Stunden und war aus meiner Sicht wirklich aushaltbar) fühlte sich schon von Minute Eins alles so völlig anders an.
Damit gehts schon mal los: Ich musste nicht vor Rührung weinen, als ich den ersten Schrei meines Kindes hörte und es mir vorsichtig in den Arm gelegt wurde.
Und damit hatte ich – selbst wenn ich es zuvor abgestritten hätte – irgendwie dennoch ganz fest gerechnet.

Es stimmt: ich konnte meine Augen nicht von meinem neugeborenen Sohn abwenden, aber das Gefühl das ich dabei hatte, verwirrte mich.

Die Verantwortung saß plötzlich wie ein zentnerschwerer Elefant auf meiner Brust. Angst und Unsicherheit bahnten sich den Weg in mein Hirn. Bin ich der Situation gewachsen? Kann ich schaffen, dieses Kind am leben zu halten, zu füttern, zu versorgen – rund um die Uhr?! Was, wenn nicht? Wer kommt und sieht, dass ich restlos überfordert bin? Wer rettet mein Kind? WARUM darf ich tatsächlich mit einem Baby auf dem Arm dieses Krankenhaus verlassen? Die kennen mich doch gar nicht!

Die ersten Wochen waren hart
– nicht nur wegen des Schlafentzugs!
In den nächsten Tagen und Wochen lernte ich zu funktionieren. Meinen "Mama-Job" so gut zu machen, wie es eben ging. Stillen, wickeln, baden, anziehen, streicheln, im Arm wiegen und leise Lieder summen... Nur einmal brach ich weinend zusammen und beichtete meiner Hebamme, wie sehr ich schon jetzt die Zweisamkeit vermisse. Sie verstand mich miss und antwortete besänftigend: "ach, das geht ganz vielen Müttern so, wenn sie ihr Kind nicht mehr ganz nah unterm Herzen tragen."
Ich schluckte trocken und sagte nichts.
Denn: Ich meinte die Zweisamkeit mit meinem Mann.
Politisch nicht korrekt, solche Gedanken zu haben. Schon gar nicht nur wenige Tage nach der Geburt.

Tatsache ist aber, dass mich die nackte Panik beim Gedanken daran überfiel, dass das Leben wie ich es kannte, nun vorbei war. Ich fragte mich, was aus mir werden würde. Als Mensch. Beruflich. Und aus der Liebe zu meinem Partner.

Natürlich liebte ich mein Kind. (Warum nur habe ich das Gefühl, dass ich das schreiben muss, damit mich niemand missversteht?!)

Aber ich stand auch unter Schock. Dem Schock darüber, dass alles so ganz anders war, als ich es mir so viele Jahre zuvor immer ausmalte.
Heute glaube ich, DAS war gerade das Hauptproblem. Also die Sache mit dem "ausmalen", das "ver-Kopft sein" und das ständige, akribische Planen.

Mein Kind nahm nun mein Leben in die Hand.
Etwas, das ich bis dato niemandem gestattet hatte.
Und es fiel mir unendlich schwer, endlich los zu lassen.

Andere Mütter waren für mich unterdessen so etwas wie olympische Bodenturnerinnen. Bei Ihnen sah der Balanceakt so viel leichter aus und das Lächeln wirkte echt.
Ich begann an mir und meinen Qualitäten als Mutter zu zweifeln, während mein Leben und mein Selbst scheinbar vor meinen Augen zusammen brachen.

Vielleicht war ich mit Anfang 30 schon zu alt für das erste Kind. Vielleicht waren ich und mein Partner zu lange allein. Vielleicht hatte ich mich zu sehr daran gewöhnt, dass ich allein mein Leben in der Hand habe. Vielleicht war es auch so etwas wie der Hauch einer Wochenbett-Depression, die dann leider gleich mehrere Jahre dauerte. Oder vielleicht war ich auch einfach nur unfassbar müde.

Klarer Fall von #regrettingmotherhood ? Ja, vielleicht. Denn oft dachte ich bei mir: Hätte ich mein Kind niemals kennen gelernt und ich müsste noch ein Mal den Weg, den mein Leben nehmen soll wählen, ich würde mich vielleicht nicht noch einmal für das Mutter-sein entscheiden.

Mein Kind macht mich glücklich!
Hoffentlich weiß er das.
Und nimmt mir meine anfängliche
Orientierungslosigkeit nicht übel.
Fakt ist: Erst drei Jahre später begann ich, das Leben einfach passieren zu lassen. Oder anders ausgedrückt: Ich hisste die weiße Flagge, gab meinen Widerstand auf. Und überraschenderweise wurde es dadurch nicht schlimmer – sondern so viel besser.

Heute sehe ich die Welt mit den Augen meines Kindes, bin optimistisch, fröhlich und tatendurstig.
Ich liebe seinen Geruch, seine samtweiche Haut und seine runden Ärmchen, die sich um meinen Hals legen. Und ich freue mich tatsächlich über jede Nacht, die er sich zu uns in Bett schleicht.
Ich mag am nächsten Tag müde sein (weil er mich fast aus dem Bett drängelt, mit Fußtritten malträtiert oder mit scharfen Fußnägeln die Haut aufschlitzt), aber ich weiß auch, irgendwann wird er ganz sicher nicht mehr zu seinen Eltern ins Bett kommen wollen. Und so genieße ich jede Sekunde seiner Nähe. Ich liebe seine feuchten, sandigen Küsse und mein Herz macht einen Satz, wenn er sagt, wie lieb er mich hat.
Ich genieße ganz einfach mein Kind.
Und könnte vor Rührung darüber jeden Trag heulen.

Vorschau: In rund sechs Monaten werde ich zum zweiten Mal in meinem Leben ein Kind bekommen. Auch diesmal habe ich so meine Vorstellungen davon, wie dieser Moment und die Zeit danach sein wird. Der einzige Unterschied zum Jahr 2011: Diesmal weiß ich, welches Glück mich erwartet. Sofern ich bereit bin, mich darauf einzulassen.
Und das bin ich!
Endlich.




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